In den Nachrichten mehren sich die Schlagzeilen über die Krise der deutschen Autoindustrie und der Ruf nach staatlicher Hilfe wird lauter.

Aber ist die es tatsächlich eine Krise oder das Ergebnis kurzfristigem Gewinnstrebens statt nachhaltiger Unternehmensstrategie?

Gewinne der Automobilindustrie

Die Gewinne der deutschen Automobilindustrie (VW, BMW, Daimler) in den letzten Jahren waren fett, Grund zum Klagen gibt es nicht. 2023 war sogar das beste Jahr in der Geschichte Volkswagens (siehe Grafik). Bei Volkswagen wird in 2024 ein Rückgang erwartet, bei BMW ist der Gewinn seit 2022 rückläufig und bei Daimler bereits seit 2021. Aufgrund von notwendigen Investitionen für den Umstieg in die Elektromobilität wäre dies auf den ersten Blick auch nicht verwunderlich.

Beim Blick über den deutschen Tellerrand hinaus wird diese erste Einschätzung aber fraglich. In dieser Zeit sind nämlich die Gewinne von Tesla und BYD gestiegen.

Eine mögliche Erklärung ist die Modellpolitik. 2023 verkaufte Volkswagen 771.100 batteriebetriebene elektrische Fahrzeuge (BEV), das sind ca. 8% der insgesamt verkauften Fahrzeuge (Quelle: insideevs.de). Möglicherweise führen lange Lieferzeiten, schlechte Modellpolitik oder Software-Probleme zu geringeren Absätzen. Tesla verkauft bekanntermaßen zu 100% Elektroautos, 2023 waren es über 1,8 Mio.. Bei BYD waren 2022 mehr als 50% der produzierten Autos batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge, 2023 wurden mehr als 1,5 Mio. Elektrofahrzeuge verkauft (siehe Grafik). Mittlerweile steht die Abkürzung BYD für Build Your Dreams, der Konzern verkauft nicht nur BEVs sondern gehört auch zu den größten Herstellern von Fahrzeugbatterien und beliefert viele Hersteller mit Akkus.

Deutschland ist hier global betrachtet auch nur ein kleiner Markt, während in Deutschland laut VDA ca. 700.200 BEVs in 2023 verkauft wurden, waren es in Amerika mit 1,4 Mio. doppelt so viele und in China mit 7,3 Mio. zehnmal so viele.

Die Gewinnzahlen der Vergangenheit stammen von Traderfox, die Prognosen von aktien.guide und für BYD von finanzen.net und sind für jeden nachverfolgbar.

Mitarbeiterzahlen

Betrachtet man die Zahl der Mitarbeiter der unterschiedlichen Hersteller und berechnet den Quotient aus den Gewinnen und den Mitarbeitern des Jahres 2023 wird deutlich, dass Volkswagen ein deutlich ungünstigeres Verhältnis Gewinn/Mitarbeiter hat als Mercedes, BMW und Tesla. Dies lässt sich nur teilweise durch den Verkauf günstigerer Autos erklären, da in der Regel teure Autos der Premiumhersteller margenstärker sind. Auf der anderen Seite deutet dies auf ein Kosten- bzw. Effizienzproblem hin und erklärt in Teilen die Krisenstimmung bei VW.

Aufwand in der Montage

Die Montagezeit eines Teslas liegt bei ca. 10 Stunden, bei VW dauert die Montage eines Verbrenners zwischen 14 und 30 Stunden und ca. 30 Stunden für den ID3 (Quelle: t3n), also 3-mal so lange, was schon eher das schlechtere Verhältnis Gewinn pro Mitarbeiter erklärt. Tesla macht hier den klassischen Automobilherstellern in ihrer Domäne vor, wie man effizienter Autos baut, Stichwort Gigacasting.

EU CO2 Flottengrenzwerte

Ein weiterer Grund für den Aufschrei der deutschen Automobilhersteller sind die für 2025 geplanten Verschärfungen der EU CO2 Flottengrenzwerte, basierend auf der EU Verordnung 2019/631 aus dem Jahre 2019. Die Strafe bei Überschreitung des Grenzwertes liegt bei 95 € pro Gramm Überschreitung pro zugelassenem Fahrzeug.

Der Flottengrenzwert wird für jeden Hersteller individuell festgelegt und berücksichtigt das durchschnittliche Gewicht. Hersteller mit schwereren Autos (größer 1379,88 kg) erhalten somit einen höheren Grenzwert, also eine indirekte Subvention ohne ökologische Lenkungswirkung.

Obwohl diese Verordnung lange bekannt ist, haben die deutschen Hersteller ihre Strategie in Richtung sparsamerer oder elektrisch angetriebener Autos nicht angepasst und versuchen vielmehr durch Tricks (Hybrid-Fahrzeuge, Zusammenschluss in Emissionspools, etc.) weiter hochmotorisierte Fahrzeuge mit hohen Emissionswerten in den Verkehr zu bringen. Hier scheint die kurzfristige Dividende wichtiger zu sein als eine langfristige, nachhaltige Ausrichtung. Oder anders formuliert, die deutschen Hersteller sind zu spät auf den richtigen Zug aufgesprungen.

JahrFlottengrenzwert
202195 gCO2/km
2025Reduzierung um 15% (zu 2021)
2030Reduzierung um 37,5% (zu 2021)

Anteilseigner

Möglicherweise sind auch einige Anteilseigner gar nicht an einer Transformation Richtung Elektromobilität interessiert. Schließlich hält Quatar 10% an Volkswagen und Kuwait 7% an Mercedes.

Mein persönliches Fazit

Die Zahlen und Fakten zeigen die aktuelle Gewinnlage, aber auch die Problemfelder auf. Jeder kann daraus gerne seine Meinung bilden. Für mich scheint der Ruf nach staatlicher Hilf nicht gerechtfertigt zu sein, die deutschen Hersteller haben genügend finanzielle Mittel, um ihre Hausaufgaben hinsichtlich Elektromobilität, Produktivität in der Fertigung und energiesparender Flotte zu erledigen - wenn es nicht schon zu spät ist im Anbetracht der Modellpolitik und Innovationen der Mitbewerber.

Krise oder Gewinne
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